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Wenn diese Mauern erzählen könnten...

Die Mitte der 1980er-Jahre von einer Lawine zerstörte Kapelle Sogn Benedetg oberhalb von Sumvitg kann auf eine rund 1000-jährige Geschichte zurückblicken. Die sanierte Ruine ist Zeugin davon.

Es hat ausgiebig geschneit gegen Mitte Februar 1984 – «und der Schnee war aussergewöhnlich leicht, auch in Chur, wo ich damals mit meiner Familie wohnte», erinnert sich Vitus Bass, der in Sogn Benedetg aufgewachsen ist und auch ein Buch über diesen Weiler verfasst hat. Aussergewöhnlich war dann auch die Wucht, mit welcher die Staublawine am 10. Februar durch die Val Murtès donnerte und die geschichtsträchtige Kapelle, die viele Jahrhunderte an dieser Stelle stand, zerstörte und auch anderswo Schäden anrichtete. «Eisenstangen wurden einfach weggedrückt und der unglaubliche Luftdruck war bis Sumvitg zu spüren», weiss Bass. «Es gab im Verlauf
der Jahre ja immer wieder Nassschneelawinen, welche die Kapelle beschädigten», erzählt er weiter, und einmal sei der Lawinenkegel so hoch gewesen, dass man einen Tunnel durch den Schnee gegraben habe, um auf die andere Seite der Schneemassen zu gelangen. Bass war damals ein Junge. Aber immer wieder wurden die Schäden
behoben und auch ein Lawinenbrecher an der Nordwestecke angebracht. Auch dieser konnte im Februar 1984 nicht verhindern, dass der Druck der Lawine das Hauptgebäude und den Turm samt Glocke in die Tiefe riss. «Übrigens ist die Glocke nie mehr zum Vorschein gekommen», so Bass, wahrscheinlich sei diese von jemandem gefunden
und mitgenommen worden. Was jedoch gerettet und saniert werden konnte, waren die beiden wertvollen Bilder aus den Anfängen des 14. Jahrhunderts, die an der inneren Westwand der Caplutta angebracht waren. Die beiden Chroniken «Himmel» und «Hölle» befinden sich heute im Kloster Disentis bei der Eigentümerin der zerstörten Kapelle. Wie Bass weiter ausführt, würden die beiden Bilder die damals (und teils noch heute) geltende Kernphilosophie des christlichen Glaubens widerspiegeln.

Die Ruine retten und die Geschichte der Kapelle weitererzählen

«Himmel» und «Hölle»

Die Verantwortlichen im Kloster Disentis waren es auch, die beschlossen, eine neue Kapelle an einem neuen und sicheren Standort aufzubauen. Den Auftrag erhielt der einheimische und weltberühmte Architekt Peter Zumthor, der einen öffentlichen Architekturwettbewerb gewann.
Die Ruine der alten Kapelle hingegen wurde ihrem Schicksal überlassen – bis die Tochter von Vitus und Trudi Bass 2001 auf die Idee kam, in dem mittlerweile überwucherten und zerfallenen Gemäuer zu heiraten. «Nach vielen Jahren habe ich darum die Ruine wiedermal besucht – und es war ein unbeschreibliches Gefühl, an diesem Kraftort zu stehen», so Bass. Für ihn war klar: Dieser wertvolle Kulturschatz muss gerettet und die interessante 1000-jährige Geschichte der Kapelle einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Es dauerte aber nochmals einige Jahre, bis Bass unter Einbezug der Denkmalpflege, des archäologischen Dienstes und des Klosters Disentis als Eigentümerin die Sanierung in die Tat umgesetzt werden konnte. Unter seiner Leitung wurden im Herbst 2011 die ersten Gerüste aufgebaut und ab Frühjahr 2012 die dringend nötigen Arbeiten ausgeführt. Rund 2000 Arbeitsstunden hat ein kleines Team, beraten von Spezialisten, investiert. «Alle Fugen wurden akribisch ausgewaschen, mit einem Spezialmittel aufgefüllt und mit Pinseln eingestampft», erklärt Bass. Zudem sei die Mauerkrone 70 cm ab- und wieder aufgebaut und mit einem wasserundurchlässigen Gemisch abgedichtet worden. Das habe so gut funktioniert, dass in den Folgejahren keine Nachbesserungen mehr nötig gewesen seien. Feierlich eingeweiht wurde die Kapellenruine mit der angebrachten Dokumentationstafel und den Kopien der oben erwähnten Bilder «Himmel» und «Hölle», am 12. Juni 2016 im Beisein von Abt Vigeli Monn aus Disentis.

Die "neue" Kapelle Sogn Benedetg

Wahrzeichen mit internationaler Ausstrahlung

Nach der Zerstörung der geschichtsträchtigen Kapelle durch eine Lawine 1984 haben initiative Persönlichkeiten aus der Region entschieden, das kleine Gotteshaus an anderer Stelle wieder aufzubauen.
Die neue Caplutta Sogn Benedetg liegt seit Ende der 1980er- Jahre etwas oberhalb des Weilers Sogn Benedetg und ist mit seiner einfachen und bestechenden Form zu einem Wahrzeichen mit internationaler Ausstrahlung geworden.
Der mit Schindeln eingekleidete Sakralbau hat die Form eines Blattes und liegt wie ein ablegendes Boot im Gelände. Ihm beiseite steht ein schlanker Turm, die Himmelsleiter, mit zwei Glocken. Das leicht gewölbte Dach mit seiner stabwerkartigen Holzstruktur wird von 37 Stützen getragen. Die hoch angeordneten Fenster der Kapelle lassen keine Blicke in die Umgebung zu, das eintretende Licht vermittelt jedoch eine warme und meditative Stimmung. Bewusst wurde im Innern des introvertierten Holzbaus auf religiöse Zeichen verzichtet. Dies im Gegensatz zur zerstörten alten Kapelle mit ihren beiden dominierenden Chroniken «Himmel» und «Hölle».
Das 1989 eingeweihte Bauwerk des Haldensteiner Architekten Peter Zumthor wurde 1992 im Rahmen des Architekturpreises «Neues Bauen in den Alpen» mit dem ersten Preis ausgezeichnet. 1994 folgte eine Anerkennung für «Gute Bauten Graubünden».