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Der Morgen beginnt

Ein Sonntag mit Renzo Blumenthal

Im Tal des Lichts geht die Sonne auf. Gemächlich schiebt sie sich über die Signinagruppe und spiegelt sich in den abertausenden Tautropfen, die an Flockenblume und Spitzwegerich glitzern. Feine Nebelschwaden verziehen sich schleichend in die Wälder. Elli die Kuh blinzelt verschlafen in den Morgen. Ihr braunes Fell dampft in der Sonne. Muuuh. Es ist 05.31 im Val Lumnezia und Wochenende. «Bien di!»

Früh auf den Füssen

Renzo der Familienmensch

Früh auf den Füssen

Renzo der Familienmensch

Renzo Blumenthal ist auch schon wach. Er trinkt den zweiten Espresso, isst noch ein Stück Holzofenbrot mit Alpkäse und blickt aus dem Fenster über das erwachende Tal. Er geniesst den Moment. In seinem modernen Bauernhaus ob Vella ist es noch ruhig. Der Rest der Grossfamilie Blumenthal schläft am Wochenende etwas länger – Ehefrau Ladina und die vier Kinder. Aber Landwirte und Vieh stehen jeden Tag mit der Sonne auf. Im Winter sogar vor ihr. Renzo übernahm vor einigen Jahren den väterlichen Bio-Bauernhof in Vella und hatte sich damit einen weiteren Traum verwirklicht. Vorher war Renzo schon Nationalliga-Fussballer und der erste erfolgreiche Mister Schweiz. Renzo ist eben ein Macher. Am Sonntagmorgen auch ein Vorwärtsmacher. Elli und weitere hundert Kuh Damen wollen versorgt werden – da ist gute Organisation das A und O. Danach plant die Familie Blumenthal einen Ausflug. Vom Wohnort Vella zu Fuss bis auf den Piz Mundaun. Familienzeit: Ein rares und kostbares Gut für Renzo, den Familienmenschen, den Landwirten und den Unternehmer aus dem Val Lumnezia. «Spert, fai prescha!»

Elli die Kuh

Der Ausflug beginnt...

Elli die Kuh

Der Ausflug beginnt...

Elli liegt wiederkäuend auf der Wiese, als Familie Blumenthal endlich aufbricht. Träge blickt sie ihnen nach, wie sie mit Wanderschuhen und Rucksack hinter den Häusern verschwinden. Der Sohn ist bald so gross wie Papa Renzo, die drei Mädchen hüpfen lachend um Mama Ladina. Bald geht Elli auch «z’Alp». Aber erst dann, wenn die Sonne den Schnee von den Gipfeln geleckt hat. Nach dem schneereichen Winter dauert das noch ein paar Tage. «Mo pazienzia mia buna, gleiti, gleiti.»

Die Heimat

«Reisen ist wunderschön, solange man wieder heimkommen kann»

Die Heimat

«Reisen ist wunderschön, solange man wieder heimkommen kann»

In Vella ist es ruhig an dem Sonntagmorgen im Frühsommer. Noch ist Vorsaison im idyllischen Berg- und Touristen-Örtchen mit den traditionellen Holzbauten, auf deren Fensterbrettern schon die ersten Geranien blühen. Die Sonnenseite halt. Familie Blumenthal spaziert gutgelaunt durch die schmalen, verwinkelten Gassen, winkt da einem Autofahrer, unterhält sich dort mit einem Einheimischen. Man kennt sich untereinander, schätzt sich, hat schon vieles zusammen erlebt. Renzo ist in Vella aufgewachsen. Das Bergdorf ist seine Heimat und der Ort, der für ihn der allerbeste der Welt ist. «Reisen ist wunderschön, solange man wieder heimkommen kann», weiss der weitgereiste Biobauer, der für ein Hilfswerk auch schon in Mosambik unterwegs war und es zuhause «eba doch am schönschta» findet. «Biala patria.»

Die Wanderung

Auf zum Piz Mundaun

Die Wanderung

Auf zum Piz Mundaun

Von Vella aus wandern Blumenthals auf Feldwegen hoch zur Mittelstation Triel. Im Winter und im Hochsommer kreuzt hier die Sesselbahn den Wanderweg. Jetzt zieht lediglich ein einsamer Adler hoch über den Köpfen der Familie seine Runden. Ein schriller Pfiff – der Warnruf eines «Munggen». Die anderen Murmeltiere rennen zu ihren Höhleneingängen. Schwups tauchen sie ein. Kopfvoran. Nur um gleich darauf wieder aufzutauchen und ihre Schnuppernäschen neugierig in die Luft zu strecken. Es ist, nebst Renzos Familie, die intakte Natur, der er seine Energie verdankt. Sie erdet ihn. Inspiriert ihn. Gibt ihm die Kraft und den Willen, als Grossfamilienvater, Biolandwirt und innovativer Unternehmer immer wieder bis an seine Grenzen zu gehen. «Trer flad profund e guder.»

Das Znüni

«Verschnuufe»

Das Znüni

«Verschnuufe»

Triel, die Mittelstation: Hier gibt es eine erste Pause zum «Verschnuufe», einen Schluck Wasser und Znüni aus der Sigg-Box: Ein Apfel und Brot mit Trockenwurst aus eigener Hof-Produktion. Dazu gibt’s einen fantastischen Ausblick: Runter bis tief ins Tal, wo sich die Valser-Strasse schlängelt und auf der anderen Talseite wieder hoch. Dorthin, wo tiefe Schluchten die Bergdörfer Duvin und Camuns unüberwindbar und auf ewige Zeiten voneinander trennen. Nur der Adler, der fliegt mit einem Flügelschlag darüber hinweg. «Il retg dils aults.»

Ein schöner Abschluss

Am Ziel angekommen

Ein schöner Abschluss

Am Ziel angekommen

Von Triel aus geht’s weiter bergauf bis auf den Hitzeggerkopf, dann den breiten Grat entlang bis zur Gipfelhütte Piz Mundaun. Renzo strahlt sein Siegerlachen. Das Bergpanorama ist umwerfend. Von hier oben sieht man bis Chur. Die Kantonshauptstadt liegt wie ein funkelnder See am Fusse des Calanda, dem Churer Hausberg, der einem bekannten Bündner Bier seinen Namen verleiht. Renzo trinkt lieber sein eigenes Bio-Bier – ein weiteres, erfolgreiches Projekt des Unternehmers. Es heisst einfach «Renzo-Bier», ist biologisch, regional und bodenständig. So wie Renzo es mag. «Senza Schnickschnack!»

Berggasthaus «Bündner Rigi»

«Z Fundament vu minem Glück»

Berggasthaus «Bündner Rigi»

«Z Fundament vu minem Glück»

Ein schmaler Pfad leitet die Blumenthals an der Ostflanke des Piz Mundauns hinab zum Berggasthaus «Bündner Rigi» – eines der ersten Gasthäuser der Surselva. Hier erwartet Renzos Vater, sein «Bab», die Familie schon auf der Sonnenterrasse. Er holt die Kinder ab – für die Kleinsten war der Aufstieg eine Herausforderung – und fährt sie zurück zum Hof. Auf ihn ist eben immer Verlass. Renzo und Ladina gehen weiter über Sogn Carli mit der einsamen Kapelle, hinab ins Nachbardorf Morissen und zurück nach Vella. Dort warten die Kinder. Und Elli. Renzo muss direkt in den Stall. Als er wieder rauskommt, schickt die Abendsonne letzte Grüsse. Wunderschön. Renzo gönnt sich eines seiner Bio-Biere und schaut zu, wie die Nacht sein Tal verschluckt. «Das da do, das isch z Fundament vu minem Glück», denkt er und geht ins Haus. Zeit fürs Bett. Der Montag beginnt früh im Tal des Lichts. «Buna notg Val Lumnezia.»